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Kinder- und Jugenddelinquenz (II)

Als pdf: 16/1462 | Kinder- und Jugenddelinquenz (II) (Schriftliche Kleine Anfrage)


BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG 16. Wahlperiode

Drucksache

16/1462
06. 10. 98

Schriftliche Kleine Anfrage
des Abgeordneten Klaus-Peter Hesse (CDU) vom 28. 09. 98 und

Antwort des Senats

Betr.: Kinder- und Jugenddelinquenz (II)
Die Antworten der Schriftlichen Kleinen Anfragen Drucksachen 16/1256 und 16/1203 geben Anlaß zu einigen Nachfragen.
Soweit Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) abgefragt werden, ist darauf hinzuweisen, daß der Aussagewert von Halbjahresstatistiken sehr begrenzt ist. Siehe hierzu die Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drucksache 16/1203. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. Wie hat sich nach Statistiken der Polizei die Kinder- und Jugendkriminalität, differenziert nach den verschiedenen Altersgruppen, im ersten Halbjahr 1998 entwickelt? (Vgl. Drucksache 16/1203, bitte auch Vergleich zum ersten Halbjahr 1997.)
Die Gestaltung der nachstehenden Tabellen orientiert sich hinsichtlich des Deliktsspektrums an den in der Drucksache 16/1203 abgefragten Deliktsbereichen.

Tatverdächtige für das erste Halbjahr 1997/1998 (wesentliche Deliktsgruppen) Kinder bis unter 14 Jahren
Kinder bis unter 14 Jahren Erstes Halbjahr Straftaten(-gruppen) Straftaten insgesamt Straftaten gegen das Leben Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Roheitsdelikte darunter: Raub insgesamt darunter: darunter: Handtaschenraub darunter: darunter: sonstiger Straßenraub Diebstahl insgesamt darunter: Diebstahl von Kraftwagen darunter: Diebstahl aus Kfz darunter: Diebstahl von Fahrrädern darunter: Ladendiebstahl insgesamt darunter: darunter: einfacher Ladendiebstahl darunter: Wohnungseinbruch (ohne Lauben) Vermögens- und Fälschungsdelikte darunter: Leistungserschleichung Sonstige Straftaten gemäß StGB Strafrechtliche Nebengesetze darunter: Rauschgiftdelikte 1997 2418 0 11 275 126 3 91 1733 7 17 16 1480 1472 21 84 50 284 109 84 1998 2713 1 4 350 131 4 93 1896 11 21 30 1579 1569 45 128 86 328 112 83 Zu-/Abnahme absolut 295 1 –7 75 5 1 2 163 4 4 14 99 97 24 44 36 44 3 –1 in Prozent 12,2 0,0 –63,6 27,3 4,0 33,3 2,2 9,4 57,1 23,5 87,5 6,7 6,6 114,3 52,4 72,0 15,5 2,8 –1,2

Bürgerschaftsdrucksachen – außer Senatsvorlagen – sind – gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier – zu beziehen bei: Druckerei Wartenberg & Söhne GmbH, Theodorstraße 41 w, 22761 Hamburg, Telefon 89 97 90 - 0


Drucksache 16/1462

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 16. Wahlperiode

Tatverdächtige für das erste Halbjahr 1997/1998 (wesentliche Deliktsgruppen) Jugendliche 14 bis unter 18 Jahren
Jugendliche 14 bis unter 18 Jahren Erstes Halbjahr Straftaten(-gruppen) Straftaten insgesamt Straftaten gegen das Leben Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Roheitsdelikte darunter: Raub insgesamt darunter: darunter : Handtaschenraub darunter: darunter : sonstiger Straßenraub Diebstahl insgesamt darunter: Diebstahl von Kraftwagen darunter: Diebstahl aus Kfz darunter: Diebstahl von Fahrrädern darunter: Ladendiebstahl insgesamt darunter: darunter : einfacher Ladendiebstahl darunter: Wohnungseinbruch (ohne Lauben) Vermögens- und Fälschungsdelikte darunter: Leistungserschleichung Sonstige Straftaten gemäß StGB Strafrechtliche Nebengesetze darunter: Rauschgiftdelikte 1997 5290 2 20 1002 461 30 308 2385 157 138 53 1658 1638 53 1042 718 860 1092 714 1998 6821 9 36 1178 496 21 350 2869 128 225 106 1864 1831 68 1460 1039 995 1386 928 Zu-/Abnahme absolut 1531 7 16 176 35 –9 42 484 –29 87 53 206 193 15 418 321 135 294 214 in Prozent 28,9 350,0 80,0 17,6 7,6 –30,0 13,6 20,3 –18,5 63,0 100,0 12,4 11,8 28,3 40,1 44,7 15,7 26,9 30,0

Tatverdächtige für das erste Halbjahr 1997/1998 (wesentliche Deliktsgruppen) Heranwachsende 18 bis unter 21 Jahren
Heranwachsende 18 bis unter 21 Jahren Erstes Halbjahr Straftaten(-gruppen) Straftaten insgesamt Straftaten gegen das Leben Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Roheitsdelikte darunter: Raub insgesamt darunter: darunter : Handtaschenraub darunter: darunter : sonstiger Straßenraub Diebstahl insgesamt darunter: Diebstahl von Kraftwagen darunter: Diebstahl aus Kfz darunter: Diebstahl von Fahrrädern darunter: Ladendiebstahl insgesamt darunter: darunter : einfacher Ladendiebstahl darunter: Wohnungseinbruch (ohne Lauben) Vermögens- und Fälschungsdelikte darunter: Leistungserschleichung Sonstige Straftaten gemäß StGB Strafrechtliche Nebengesetze darunter: Rauschgiftdelikte 1997 4009 2 26 726 239 9 136 1436 108 107 26 907 875 41 1258 880 669 1094 690 1998 5494 9 31 764 227 9 127 1726 98 128 42 1051 1010 40 1926 1388 768 1206 726 Zu-/Abnahme absolut 1485 7 5 38 –12 0 –9 290 –10 21 16 144 135 –1 668 508 99 112 36 in Prozent 37,0 350,0 19,2 5,2 –5,0 0,0 –6,6 20,2 –9,3 19,6 61,5 15,9 15,4 –2,4 53,1 57,7 14,8 10,2 5,2

Tatverdächtige für das erste Halbjahr 1997/1998 (wesentliche Deliktsgruppen) bis unter 21 Jahren zusammen
bis unter 21 Jahren Erstes Halbjahr Straftaten(-gruppen) Straftaten insgesamt Straftaten gegen das Leben Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Roheitsdelikte darunter: Raub insgesamt darunter: darunter : Handtaschenraub darunter: darunter : sonstiger Straßenraub Diebstahl insgesamt darunter: Diebstahl von Kraftwagen darunter: Diebstahl aus Kfz darunter: Diebstahl von Fahrrädern darunter: Ladendiebstahl insgesamt darunter: darunter : einfacher Ladendiebstahl darunter: Wohnungseinbruch (ohne Lauben) Vermögens- und Fälschungsdelikte darunter: Leistungserschleichung Sonstige Straftaten gemäß StGB Strafrechtliche Nebengesetze darunter: Rauschgiftdelikte 1997 11 717 4 57 2 003 826 42 535 5 554 272 262 95 4 045 3 985 115 2 384 1 648 1 813 2 295 1 488 1998 15 028 19 71 2 292 854 34 570 6 491 237 374 178 4 494 4 410 153 3 514 2 513 2 091 2 704 1 737 Zu-/Abnahme absolut 3311 15 14 289 28 –8 35 937 –35 112 83 449 425 38 1130 865 278 409 249 in Prozent 28,3 375,0 24,6 14,4 3,4 –19,0 6,5 16,9 –12,9 42,7 87,4 11,1 10,7 33,0 47,4 52,5 15,3 17,8 16,7

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Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 16. Wahlperiode

Drucksache 16/1462

2. a) Wie viele Straftaten haben die in Drucksache 16/1256, Frage 1 a) bis c), aufgeführten Intensivtäter 1997 und im ersten Halbjahr 1998 verübt, und welche Verurteilungen wurden daraufhin ausgesprochen? b) Wie hoch ist der Anteil im Verhältnis zu der gesamten Kinder- und Jugendkriminalität?
Der Begriff „Intensivtäter“ ist kein Erfassungskriterium der PKS. Eine Aussage zur nachgefragten Anzahl der Straftaten und Verurteilungen würde die Durchsicht aller in Frage kommenden Unterlagen erfordern. Dies ist in der Kürze der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich.

2. c) Welche anderen Daten und Informationen liegen dem Senat zu dieser Tätergruppe vor? d) Mit welchen konkreten Maßnahmen will der Senat gegen diese Tätergruppe vorgehen?
Die Polizei begegnet der Intensivtäterkriminalität durch täterorientierte Verbrechensbekämpfung. Diese basiert auf einem personenbezogenen Handlungsansatz, der nicht nur auf das Ermittlungsverfahren beschränkt ist. Im Kern beinhaltet dies – eine umfassende personengebundene Zuständigkeit (einschließlich erforderlicher Sofortmaßnahmen im Sinne der Strafprozeßordnung) an einer Stelle – eine personengebundene Informationsbeschaffung, unabhängig von einem Fall oder Tatverdacht. Für die polizeiliche Sachbearbeitung sind gemäß der „Fachanweisung über die täterorientierte Verbrechensbekämpfung (Intensivtäter)“ vom 1. Oktober 1992 die Kriminalkommissariate Zentrale Ermittlungen (KKZE) der Polizeidirektionen zuständig. Die KKZE haben eine Rufbereitschaft eingerichtet, die eine ständige Erreichbarkeit der Sachbearbeiter gewährleistet. An den KKZE werden aktuelle Listen mit den Namen der Intensivtäter geführt. Aus diesen Listen ist ersichtlich, an welcher Dienststelle unter anderem Ermittlungsvorgänge bearbeitet werden. Weiterhin sind an den KKZE Informationen über die Personen sowie über deren jeweiliges familiäres und kriminelles Umfeld vorhanden. Die Zahl der polizeilich geführten Intensivtäter unterliegt ständigen Veränderungen. Untersuchungen des Kriminologischen Forschungsinstitutes Hannover aus mehreren Städten belegen, daß das Risiko der Entstehung von Delinquenz bei jungen Menschen sich erhöht, wenn sowohl gravierende soziale Benachteiligungen der Familie als auch die Erfahrung innerfamiliärer Gewalt und schlechte Zukunftschancen als Belastungsfaktoren bei den jungen Menschen vorhanden sind. Siehe auch die Antworten des Senats auf die Schriftlichen Kleinen Anfragen Drucksachen 16/957 und 16/1256. Neben repressiven Maßnahmen und einem beschleunigten justitiellen Verfahren kommt der Ausweitung des Täter-Opfer-Ausgleichs auch für den angesprochenen Täterkreis eine große Bedeutung zu, siehe Drucksache 15/7939. Durch die Bereitstellung finanzieller Mittel für die Betreuung von Opfern im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs hat der Senat die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß auch schwerwiegende Konflikte bzw. Delikte mit höherer Straferwartung einbezogen werden können. Vgl. auch die Antworten des Senats auf die Schriftlichen Kleinen Anfragen Drucksachen 16/320, 16/352, 16/687 und 16/1203.

3. Den Ortsausschußmitgliedern Fuhlsbüttel-Langenhorn wurde im September 1998 eine Statistik zur Kinder- und Jugendkriminalitätsentwicklung in Langenhorn ausgehändigt. Diese ist laut Aussagen der Dienststellen der Polizei Teil eines Berichts, den die Polizeidienststelle Ost zur Gewaltbereitschaft Jugendlicher im Bereich Langenhorn erstellt hat. a) Wann ist dieser Bericht erstellt worden? b) Welche weiteren Informationen außer den in der Statistik aufgeführten Daten enthält der Bericht?
Die Polizeidirektion Ost erstellte den Bericht am 14. August 1998. Dieser stellt die polizeilichen Präventionsmaßnahmen, insbesondere im schulischen Bereich, dar.

4. a) In wie vielen Fällen und bei welchen Delikten wurde bei Verurteilung von Achtzehn- bis Einundzwanzigjährigen 1997 und im ersten Halbjahr 1998 das Jugendstrafrecht und in wie vielen Fällen das Erwachsenenstrafrecht angewandt? (Vgl. Frage 2 der Drucksache 16/458, bitte auch Angabe der Strafhöhe.) Welche Entwicklung war 1970, 1980 und 1990 zu verzeichnen? b) Welche Relation war in den anderen Bundesländern bzw. im Bundesdurchschnitt feststellbar?
Die entsprechenden Zahlen für 1997 und das erste Halbjahr 1998 liegen noch nicht vor. Im übrigen siehe Drucksache 16/458. 1990 wurde in Hamburg in Strafverfahren gegen Heranwachsende in 736 Fällen Jugendstrafrecht und in 50 Fällen allgemeines Strafrecht angewendet. Für 1970 und 1980 liegen Zahlen für Hamburg nicht vor. Statistiken für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland weisen aus, daß 1970 in 58,5 Prozent aller Fälle gegen Heranwachsende allgemeines und in 41,5 Prozent der Fälle Jugendstrafrecht angewandt wurde. 1980 betrug das Verhältnis 47,2 Prozent zu 52,8 Prozent, 1990 36,4 Prozent zu 63,6 Prozent. 3


Drucksache 16/1462

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 16. Wahlperiode

4. c) Aus welchen Gründen hat Hamburg am 26. September 1997 einen Antrag in den Bundesrat eingebracht, wonach bei Straftaten Heranwachsender grundsätzlich das allgemeine Strafrecht zur Anwendung kommen soll, und gleichzeitig bei der Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 1997 einen dementsprechenden Gesetzentwurf (Drucksache 562/97) abgelehnt?
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat in der Sitzung des Rechtsausschusses des Bundesrates am 3. Dezember 1997 einen den Gesetzesantrag des Freistaates Bayern (Bundesratsdrucksache 562/97) modifizierenden Antrag gestellt, der das Regel-Ausnahme-Verhältnis bei der Anwendung von Jugendbzw. allgemeinem Strafrecht auf Heranwachsende deutlicher kodifizieren sollte. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat sich in der Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 1997 zu dem Gesetzesantrag des Freistaates Bayern der Stimme enthalten. Der Senat weist darauf hin, daß seine Beratungen gemäß § 20 der Geschäftsordnung des Senats der Geheimhaltung unterliegen. Er sieht insofern davon ab, sich zu den Gründen des Abstimmungsverhaltens der Freien und Hansestadt Hamburg im Bundesrat zu äußern.

4. d) Mit welchen anderen Maßnahmen will Hamburg zu welchem Zeitpunkt eine stärkere Anwendung des Erwachsenenstrafrechts sicherstellen, und ist in diesem Zusammenhang eine Novellierung des § 105 Jugendgerichtsgesetz geplant?
Die Entscheidung, Jugend- bzw. allgemeines Strafrecht anzuwenden, ist gemäß § 105 Absatz 1 Jugendgerichtsgesetz (JGG) dem Richter vorbehalten. Der Senat weist darauf hin, daß nach der verfassungsmäßigen Ordnung die Rechtsprechung ausschließlich den Gerichten anvertraut ist. Diese sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Der Senat plant keine Gesetzesinitiative zur Änderung des § 105 JGG.

4. e) Mit welchen konkreten Maßnahmen will der Senat die Bundesratsinitiative Drucksache 663/97 vorantreiben, oder wird die dort enthaltene Zielrichtung vom Senat nicht mehr geteilt?
Die Bundesratsinitiative Drucksache 663/97 ist eingeflossen in die Entschließung des Bundesrates zur Stärkung der Inneren Sicherheit, Drucksache 13/8629 vom 26. September 1997. Mit den Möglichkeiten der praktischen Umsetzung sind bundesweit die zuständigen Fachministerkonferenzen befaßt. Diese haben Prüfaufträge vergeben. Ergebnisse liegen noch nicht vor.

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