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Bambule oder soziale Gerechtigkeit

Als pdf: 17/2195 | Bambule oder soziale Gerechtigkeit (Schriftliche Kleine Anfrage)


BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG 17. Wahlperiode

Drucksache

17/2195
14. 02. 03

Schriftliche Kleine Anfrage
des Abgeordneten Klaus-Peter Hesse (CDU) vom 04. 02. 03 und

Antwort des Senats

Betr.: Bambule oder soziale Gerechtigkeit?
In den letzten Wochen und Monaten ist durch die von CDU und SPD im Bezirk Hamburg-Mitte verfügte rechtsstaatliche Räumung des Bauwagenplatzes Vorwerkstraße (Bambule e.V.) dem Steuerzahler ein erheblicher finanzieller Schaden entstanden. Zahlreiche Demonstrationen mit enormem Personalaufwand – verbunden mit Ausschreitungen und Zerstörungen – erinnerten an Auseinandersetzungen in der Hafenstraße oder im Schanzenviertel bezüglich der Roten Flora. Zurzeit finden Gespräche statt, die eine friedliche Lösung des Konfliktes ermöglichen sollen. Im Koalitionsvertrag haben sich die Vertragspartner darauf geeinigt, dass Bauwagenplätze nicht weiter gefördert werden. Sie sind daher auch selbstverständlich nicht Bestandteil der Senatskonzeption zur wachsenden Stadt. Ich frage den Senat: 1. Gibt es mittlerweile eine Lösung des Konfliktes zwischen der FHH und den Bauwagenbewohnern? a) Wenn ja, wie genau sieht diese aus? b) Wenn nein, wann ist damit zu rechnen? Nein. Die Dauer der Gespräche ist noch nicht absehbar und hängt wesentlich von einer konstruktiven Mitwirkung der ehemaligen Bewohner ab. 2. Zieht der Senat für die ehemaligen Bewohner der Bauwagenplätze Alternativlösungen in Betracht, die auch innerstädtische und in privater Hand befindliche Flächen mit einbeziehen? Wenn ja, haben sich die Bauwagenbewohner in den bis dato mit dem Senat geführten Verhandlungen bereit erklärt, die anfallenden Nutzungsentgelte für private Flächen zu zahlen? Alternativlösungen sollen eine staatsferne Entscheidung ermöglichen. Dabei ist das geltende Recht der Maßstab. Die ehemaligen Bauwagenbewohner haben in den Gesprächen anerkannt, dass Nutzungsentgelte zu zahlen sein werden. Dieses gilt auch für Versorgungsleistungen im Rahmen des Anschluss- und Benutzungszwangs. 3. Welche Voraussetzungen rechtlicher, insbesondere baurechtlicher Art (z.B. HBauO) sind dafür notwendig? Wohnwagenplätze unterliegen dem Wohnwagengesetz vom 25. Mai 1999. Darüber hinaus sind die planungsrechtlichen Vorschriften des Baugesetzbuchs und der Baunutzungsverordnung maßgeblich. Die Hamburgische Bauordnung findet auf Wohnwagenplätze im Sinne des Wohnwagengesetzes (§ 1 Absatz 2 Wohnwagengesetz) keine Anwendung. 4. Gewährleistet der Senat, dass aus der neu angestrebten Lösung dem Steuerzahler kein weiterer finanzieller Schaden entsteht? Siehe Antwort zu 2.

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5. Wie hoch sind die bis dato entstandenen Gesamtkosten für die FHH, private Personen und Gesellschaften? Die Kosten für die anlässlich der Räumung des Bauwagenplatzes in der Vorwerkstraße und der nachfolgenden Aktionen erforderlichen Polizeieinsätze werden gegenwärtig auf ca. 2 100 000 Euro geschätzt. Darin enthalten sind Kosten für die Inanspruchnahme von Polizeikräften anderer Länder und des Bundes, ihre Unterbringung, für Verpflegung sowie Anmietung von Fahrzeugen und technischem Gerät. Die Abrechnungen liegen noch nicht abschließend vor. Beim Bezirksamt Hamburg-Mitte entstanden Kosten für das Abschleppen von Fahrzeugen in Höhe von 1177 Euro und für die Beseitigung von Unrat sowie die Vorhaltung von Spezialtransportern in Höhe von 18 805,04 Euro. Derzeit stehen noch Rechnungen für Maßnahmen zur Sicherung des Geländes und der Wegefläche in Höhe von 1000 Euro sowie für Graffitibeseitigung in Höhe von 235 Euro aus. 6. Haben sich die Bewohner des Bauwagenplatzes Vorwerkstraße (Bambule e.V.) der normalen Müllabfuhr der Stadtreinigung angeschlossen? a) Wenn ja, sind die Rechnungen bezahlt worden? b) Wenn nein, seit wann ist dies bekannt und wer trägt hierfür die Verantwortung? Der Bauwagenplatz in der Vorwerkstraße war vom 15. Oktober 1999 bis zum 5. November 2002 (Räumung des Bauwagenplatzes am 4. November 2002) mit zwei 1100-l-Containern an die Abfallentsorgung der SRH angeschlossen. Während der Nutzung als Bauwagenplatz sind Abfallentsorgungsgebühren in Höhe von 18 109,90 Euro entstanden. Die Entsorgungskosten mussten von der damaligen Umweltbehörde übernommen werden, um Missstände und Beeinträchtigungen der Nachbarschaft während der Dauer der Duldung des Bauwagenplatzes zu unterbinden. Die entstandenen Gebühren sind von dort bis zur Räumung beglichen worden. 7. Haben die Bewohner auch die weiteren, für jeden Bürger zu entrichtenden Steuern, Gebühren und Abgaben (z.B. Wasserversorgung und -entsorgung, Strom usw.) an die Versorgungsbetriebe abgeführt? a) Wenn ja, sind die Rechnungen beglichen worden? b) Wenn nein, warum nicht? Den zuständigen Behörden ist nicht bekannt, ob Versorgungsverträge mit Versorgungsunternehmen bestanden haben. Hierfür wären auch keine öffentlichen Abgaben, sondern privatrechtliche Entgelte zu bezahlen. Da die Bewohner Frischwasser von dem an die Wasserversorgung angeschlossenen Gebäude des Vorwerkstifts (Haus Nummer 21) bezogen haben, kann damit gerechnet werden, dass Wasserbezug und damit auch die Abwassergebühr von dort bezahlt wurden. Inwieweit die Bewohner den Aufwand erstattet haben, ist nicht bekannt. Zu den steuerlichen Verhältnissen von „Bauwagenbewohnern“ sind allgemeine Angaben weder möglich noch wären sie im Hinblick auf das Steuergeheimnis konkret zulässig. 8. Wird sichergestellt, dass die Bauwagenbewohner künftig sämtliche Steuern, Gebühren und Abgaben – wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger auch – entrichten werden? Zur Zahlung von Steuern, Gebühren und Abgaben werden im Rahmen der Gesetze alle Hamburgerinnen und Hamburger ohne Ansehen ihrer Person herangezogen. 9. Gibt es bereits konkrete Vorstellungen des Senates zur Überplanung der frei werdenden Bauwagenplatzflächen? a) Wenn ja, welche? b) Wenn nein, weshalb nicht? Für den aufgelösten Wohnwagenplatz am Paciusweg/ Kieler Straße in Eimsbüttel sind folgende Nutzungen geplant: – Auf der Hälfte der Fläche sollen eine Quartiersgarage mit rund 50 Stellplätzen sowie ein Standort für die Freiwillige Feuerwehr Eimsbüttel kurzfristig realisiert werden. – Auf der verbleibenden Teilfläche ist eine gewerbliche oder Kerngebietsnutzung vorgesehen. Die Fläche des aufgelösten Wohnwagenplatzes Vorwerkstraße steht im Treuhandeigentum der Stadterneuerungsgesellschaft und soll den Bewohnern in Gestalt von Mietergärten zur Verfügung gestellt werden. Erdanlieferung und Einzäunung sind bereits erfolgt. 10. Wird der amtierende Senat auch weiterhin Räume beseitigen, bei denen die bisherige rotgrüne Regierung geltendes Recht nicht durchgesetzt hat, um damit für soziale Gerechtigkeit – z.B. gegenüber Mietern, die nach zwei nicht gezahlten Monatsmieten die Kündigung erhalten – zu sorgen? Der Senat vertritt konsequent sein Ziel weiter, keine rechtsfreien Räume zu dulden, besetzte Häuser unverzüglich nach entsprechenden Anträgen der Eigentümer zu räumen und alle rechtlich nicht gesicherten Bauwagenplätze aufzulösen. Im Hinblick auf die zeitliche Zielsetzung bei den Bauwagenplätzen vgl. Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drucksache 17/1335. 2


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11. Teilt der Senat meine Auffassung, dass der soziale Rechtsfrieden in Hamburg weiter massiv darunter leiden wird, wenn die ehemaligen Bewohner der Bauwagenplätze rechtlich und finanziell durch Alternativlösungen, die nicht den marktüblichen Rahmenbedingungen entsprechen, besser gestellt werden? Zur Lösung bestehender Konflikte wird die zuständige Behörde keine Mittel einsetzen, die Einzelnen ungerechtfertigte Vorteile verschaffen. Ungeachtet dessen wird die zuständige Behörde soziale Hilfen und Unterstützungen, die bedürftigen Personen im Rahmen des geltenden Rechts gewährt werden können, nicht deshalb verweigern, weil sie in Wohnwagen leben oder gelebt haben. 12. Welche Vorkommnisse haben seit Räumung des Bauwagenplatzes Vorwerkstraße (Bambule e.V.) stattgefunden, an denen Aktivisten und Sympathisanten aus dem Umfeld von „Bambule“ beteiligt waren? Im Anschluss an die Räumung des Bauwagenplatzes in der Vorwerkstraße hat es vielfältige Aktionen verschiedener Gruppierungen gegeben, die einen Themenbezug erkennen ließen. Nachstehend werden solche Anlässe benannt, die ein polizeiliches Handeln erforderlich machten. Eine Differenzierung im Hinblick auf eine Beteiligung von „Aktivisten und Sympathisanten aus dem Umfeld“ nimmt die Polizei nicht vor. Im Einzelnen fanden folgende Aktionen statt: 04. 11. 2002: 05. 11. 2002: 06. 11. 2002: 07. 11. 2002: 08. 11. 2002: 09. 11. 2002: 10. 11. 2002: 12. 11. 2002: 16. 11. 2002: 18. 11. 2002: 21. 11. 2002: 22. 11. 2002: 29. 11. 2002: 30. 11. 2002: 02. 12. 2002: 05. 12. 2002: 06. 12. 2002: 07. 12. 2002: 13. 12. 2002: 14. 12. 2002: 21. 12. 2002: 22. 12. 2002: 15. 01. 2003: 15. 01. 2003– 03. 02. 2003: 16. 01. 2003: 22. 01. 2003: 24. 01. 2003: 05. 02. 2003: Spontanaufzug im Anschluss an die Räumung in das Uni-Viertel; Spontanaufzug durch St. Pauli am Abend der Räumung Demonstrative Aktionen und Spontanaufzug im Innenstadtbereich Gewalttätige Aktionen nach dem Fußballspiel des FC St. Pauli Angemeldeter Aufzug „Gegen Sozialabbau“ Sachbeschädigungen an den Bezirksämtern Hamburg-Mitte und Altona (Schlösser verklebt, Farbschmierereien) Angemeldeter Aufzug „Für mehr Bauwagenplätze“; nicht angemeldeter Aufzug „Bambule“ Fußballturnier in der Vorwerkstraße Nicht angemeldete Versammlung „Wenn Bauwagenplätze weg – dann müssen wir campen“ Angemeldeter Aufzug „Gegen Rechtspopulismus, Ausgrenzung und Vertreibung“ mit gewalttätigem Verlauf Spontanaufzug nach Fußballspiel des FC St. Pauli mit gewalttätigem Verlauf Nicht angemeldete Versammlung mit anschließenden Spontanaufzügen Angemeldeter Aufzug „Für mehr Bauwagenplätze. Die Stadt gehört allen“ Nicht angemeldeter Aufzug „Die Stadt gehört allen“ Angemeldeter Aufzug „Gegen Rechtspopulismus, Ausgrenzung und Vertreibung, Schill muss weg“ Spontanaufzug im Anschluss an Fußballspiel des FC St. Pauli Angemeldeter Aufzug „Gegen unsoziale Sparpolitik“ Demonstrative Aktion „Essenausgabe“ auf dem Ida-Ehre-Platz Aufstellung eines Schildträgers „Bambule forever“ am Privathaus des Präses der zuständigen Behörde Angemeldeter Aufzug „Gegen den sozialen Kahlschlag auf St. Pauli“ im Anschluss an das Fußballspiel des FC St. Pauli; Sachbeschädigungen (Scheiben eingeworfen) an fünf Geldinstituten in Groß Flottbek Aktionen mehrerer Kleingruppen in der Innenstadt „Einladung zum öffentlichen Radiohören“ Spontanaufzug „Gegen Rechtspopulismus, Ausgrenzung und Vertreibung, die Regierung stürzen“; anschließend demonstrative Aktionen in der Innenstadt Sachbeschädigung (eine Scheibe eingeschlagen, Farbschmiererei) an einer Schule in Ottensen Protestaktion an der Uni „Gegen Studiengebühren und Ausgrenzungen – Für die Bambule und selbst bestimmte Projekte“; unangemeldete Versammlung in der Vorwerkstraße Mahnwache „Sofortige Aufnahme der Verhandlungen mit dem Ziel einer Sofortlösung“ Nicht angemeldeter Aufzug „Sofortige Aufnahme der Verhandlungen mit dem Ziel einer Sofortlösung“ Farbschmierereien an einer S-Bahn-Brücke in St. Pauli Gewalttätige Aktionen nach dem Fußballspiel des FC St. Pauli Angemeldeter Aufzug „Gegen die Bildungspolitik des Hamburger Senates“

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